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Unser Weg über die Biskaya - Teil 2

Die Winde bleiben weiterhin unbeständig. Das gibt uns aber die Chance, weiter die französische Küste hinunter zu segeln. Und je weiter wir gen Süden kommen, um so wärmer wird das Wasser und um so öfter zeigt sich die Sonne und gibt uns einen Vorgeschmack auf den Sommer.


Von Camaret-sur-Mer starten wir mit dem Nachmittagshochwasser. Laut unserer Berechnungen müssten wir dann in drei Stunden am Point du Raz sein, einem Cap an dem wir die 3 kn Strömung auf gar keinen Fall gegen uns haben wollen. Die Sonne scheint, der Wind hat aufgefrischt und wir genießen das Sommersegeln mit gutem achterlichen Wind. Die Seeschwalbe rauscht an der Küste vorbei und der Schwell des letzten Tiefs hat sich auch soweit beruhigt, dass wir mit den aktuellen Wellen gut leben können. Allerdings sind wir zu schnell. Wir haben die Strecke mit durchschnittlich 5 Knoten vorausgeplant. Nun fliegt die Seeschwalbe mit 6-7 Knoten in Richtung Kap. Naja, so schlimm wird’s ja nicht werden. Dann sind wir halt langsamer mit Gegenströmung. Was soll's ... dachten wir. Aber was dann passierte, hatten wir so nicht erwartet. Schon von weitem sehen wir brechende Wellen und das Wasser scheint zu kochen. Wir beruhigen uns damit, dass auch andere Segler in unserer Richtung unterwegs sind. Je näher wir den beiden Seezeichen am Kap kommen, um so langsamer wird die Seeschwalbe, der Schwell aus Richtung Atlantik steht genau gegen die Strömung und bildet unangenehm steile Wellen. Die Segel haben keinen Chance und schlagen jedes Mal, wenn das Boot von einer Seite zur anderen geworfen wird. Das kann nicht gut fürs „Material“ sein. Anspannung macht sich breit. Die Gespräche sind eingestellt. Wir beobachten, was um uns herum passiert und Boris versucht hochkonzentriert uns einigermaßen auf Kurs zu halten. Doch wir entfernen uns kontinuierlich im rechten Winkel von unserer Kurslinie und unser gesteuerter Kurs entspricht ganz und gar nicht dem gefahrenen. Die Wellen um uns herum werden immer höher. Zum Teil haben wir nur noch 0,8 kn Speed über Grund. Die Segel werden eingeholt und der Motor gestartet, um einigermaßen Vortrieb zu haben und das Boot zu stabilisieren. Unsere Position zu den Seezeichen und Türme an Land verändert sich trotz voller Fahrt voraus überhaupt nicht. Nur unsere Abdrift nimmt zu. Irgendwann haben wir den Atlantikschwell von achtern und er sieht bedrohlich aus, wenn er von hinten anrauscht und in der letzten Sekunde das Boot dann doch anhebt und drunter hindurch läuft.

Ein Rauschen und Brodeln umgibt die Seeschwalbe.

Nach zwei Stunden haben wir das Gröbste geschafft. Die Muskulatur entspannt sich langsam wieder und wir können durchatmen. Das war ja was!

Wir entscheiden uns nach kurzem Durchschnaufen für’s Weitersegeln und erreichen in den Morgenstunden mit dem ersten Licht des Tages das Archipel des Glénan, wo wir bis zum nächsten Tag bleiben und Sandstrand sowie das türkisblaue Wasser genießen. Am Morgen des nächsten Tages hüllt sich die Insel in dichten Seenebel und als der sich endlich verzieht, setzen wir Segel zur Belle Ile. Sauzon ist ein hübscher kleiner Fischerort, aber im Sommer rappelvoll. Wir ergattern dennoch die letzte Mooringboje und wandern am nächsten Tag an der beeindruckenden Steilküste entlang. Die Sonne scheint und es ist endlich Sommer. In den Restaurants am Hafen brodelt das Leben und durch die Gassen hallt am Abend lautes Stimmengewirr. Als nach der zweiten Nacht sich auch hier der morgendliche Seenebel verzogen hat, aber die Bedingungen für die Biskaya immer noch nicht passen, nehmen wir Saint Nazaire in den Fokus. Das ist nur eine Tagesreise entfernt und es ist einfach verlockend bei GONG mal vorbeizuschauen, von denen wir sämtliches Wassersport-Equipment haben. Dank unserer neuen Räder lässt sich das wunderbar mit einer Tour durch’s grüne Hinterland verbinden. Und natürlich bleibt dieser Besuch nicht ohne Folgen, denn wir haben nun auch noch ein Bord fürs Wellensurfen, welches wir gleich noch am Strand einweihen. So einfach nur am Strand sitzen geht ja nicht!


Und dann ist es soweit. Für die nächsten drei Tage hat sich endlich ein "Fenster geöffnet", um die 280 Seemeilen nach Spanien in Angriff zu nehmen. Die Seeschwalbe ist proviantiert, vollgetankt und bereit loszufliegen. Mit einem riesigen Feuerwerk verabschiedet sich Frankreich mit viel Tamtam von uns.

Am Vormittag setzen wir den Kurs auf Gijón in Galizien/Nordspanien und kommen in den Genuss perfekter Segelbedingungen. Uns geht es gut und wir genießen es mit achterlichen Winden Spanien entgegenzusegeln. 48 Stunden mit zwei Nächten liegen nun vor uns. Schnell beginnen wir deshalb unser 4-Stunden-Wachsystem, um gar nicht erst in ein Schlafdefizit zu kommen. In der Nacht breitet sich über uns ein leuchtendes Sternenzelt aus. Über uns trohnt deutlich zu erkennen das Band der Milchstraße und ich bedaure, außer dem großen Wagen und Cassiopeia keine weiteren Sternzeichen deuten zu können. Also sitze ich da, genieße einfach und da wir Mitte August und damit Sternschnuppen-Zeit haben, kann ich mir jede Menge wünschen. Ansonsten passiert um uns herum nichts. Keine anderen Boote, leider auch keine Tiere. Einfach nur Wasser. Und so verstreicht auch der zweite Tage. Das Geschaukel des Bootes vertragen wir überraschend gut, so dass wir uns ziemlich frei bewegen können. Gegen Abend verlässt uns nach und nach der Wind, wodurch die Segeln nicht mehr stehen und selbst der Parasailor nicht genug Vortrieb erzeugt. Als ich um 23:00 Uhr die Wache übernehme, hat Boris gerade den Motor angeschmissen, um nicht zu langsam zu werden. Wir haben keine Lust mit 2-3 kn im Schwell zu dümpeln. Doch diesmal macht der Motor komische Geräusche. Was ist da los? Nicht hier! Mitten in der Nacht! Ich habe Puls … Die Drehzahl fällt immer wieder kurz ab und es klingt, als würde er nicht genug Sprit bekommen. Wie kleine Verschlucker. Wir checken sofort die Instrumente - alles in Ordnung.


Es fühlt sich an, als hätten wir selbst Herzprobleme.

Wir lassen ihn einfach laufen. Was sollen wir sonst tun. Es gibt keine Alternativen. Ich merke wie sich mein Körper anspannt. Die vielen Sternschnuppen dieser Augustnacht nutze ich für sehr viele Motorwünsche. Und tatsächlich hilft das ;-) Nach einer Stunde läuft der Motor wieder rund. Halleluja!

Am Horizont ist seit einiger Zeit Wetterleuchten zu beobachten. Laut Regenradar kommt da zwar nichts auf uns zu, aber Faszinitation und ein beklemmendes Gefühl halten sich die Waage. In ein Gewitter auf der Biskaya zu kommen, ist das letzte, was ich hier draußen brauche. Das Wetterleuchten nimmt im Laufe der Nacht zwar zu, aber die Gewitter bleiben an der Küste und in ausreichender Entfernung.

Gegen zwei Uhr beginnt der Horizont immer stärker dauerhaft zu leuchten, was irritierend ist, weil wir eigentlich noch kein Licht von der Küste sehen dürften. Es sieht aus, als würden wir auf eine Großstadt zufahren. Mittlerweile ist der Himmel bewölkt und die Wolken reflektieren das Licht. Irgendwann erscheinen dann die Boote der Fischfangflotte auf dem AIS. Wie an einer Perlenkette aufgereiht, durchkämmen sie das Meer. Durch die Erdkrümmung und die Wellen können wir sie zunächst noch nicht direkt sehen. Nach ein bis zwei Stunden werden dann die gigantischen Strahler sichtbar. Sie sind trotz der großen Entfernung so stark, dass man nicht direkt hinsehen kann, ohne geblendet zu sein. Glücklicherweise kreuzen sich unsere Kurse nicht und die Seeschwalbe schleicht westlich daran vorbei.

Der Wind kommt auch bis zum Morgen nicht zurück und wir erreichen nach 48 Stunden gegen 9:00 Uhr das spanische Festland und den Hafen von Gijon.


Hola España! Wir haben die Biskaya überquert und sind auf eigenem Kiel bis Spanien gesegelt. Das fühlt sich verdammt gut an. Ein kleines Stück Biskaya liegt noch bis A Coruña vor uns, aber die werden wir entlang der spanischen Küste Stück für Stück absegeln.


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