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Buongiorno Sardegna! Zwischen malerischen Buchten und wilder Küste.

Die erste Jahreshälfte ist wie im Flug vergangen – und nun liegen wir wieder vor Anker in der Bucht von Pollença. In den letzten Tagen habe ich die vielen Fotos der vergangenen Wochen sortiert, archiviert und ins Fotobuch eingefügt. So bleibt mir am Jahresende das mühsame Durchforsten tausender Bilder erspart – dann fehlen nur noch die Feinarbeiten: Texte schreiben, Karten ergänzen, letzte Details.


Beim Durchsehen der Bilder war es, als würde ich eine kleine Zeitreise unternehmen – und war selbst überrascht, wie viel wir in so kurzer Zeit auf Sardinien erlebt haben. Diese Reise war intensiv, farbenfroh, manchmal anstrengend, aber vor allem eins: unvergesslich.


Der Aufbruch - endlich wieder unterwegs


Mein Blick bleibt an einem Foto vom 1. April hängen. Der Tag an dem wir nach über drei Monaten im Hafen die Leinen loswerfen und Richtung Sardinien aufbrechen…

Es ist früher Morgen. Die Sonne blinzelt gerade so über die Berge, während die Stadt noch schläft. Nur ein paar Müllwagen rumpeln durch die Straßen. Dann ist es soweit. Still gleiten die Mooringleinen zurück ins Wasser und der Motor schiebt uns sanft tuckernd aus dem Hafen der Sonne entgegen Richtung Osten. Schnell setzen wir die Segel, schalten den Motor wieder aus und genießen die sofortige Stille um uns herum. Nur ein sanftes Gluckern der Wellen am Rumpf ist zu hören.

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Ein stabiler Amwindkurs beschleunigt die Seeschwalbe gen Menorca. Ausreichend, um mitunter 8 kn auf der Logge stehen zu haben. So macht das doch Spaß. Fürs Erste ist ein Tagestörn zur „Eingewöhnung“ nach Mahón geplant. Nach 11 Stunden lassen wir den Anker in der Cala Teulera fallen, die guten Schutz bei allen Wetterbedingungen bietet und an der Einfahrt nach Mahón liegt. Um diese Jahreszeit gibt es noch genug Platz für die Handvoll Boote und trotz des etwas schwierigen Ankergrundes aus Gras und Schlamm findet der Anker schnell Halt. Mit der untergehenden Sonne genießen wir unseren Sundowner-Drink und freuen uns auf die Wochen, die vor uns liegen.


Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen: Am nächsten Morgen steht ein echtes Segler-Schreckensszenario bevor, was uns zwingt, unsere Pläne erstmal über den Haufen werfen.


Wenn es plötzlich nicht mehr weitergeht.


Organisiertes Chaos
Organisiertes Chaos

Der nächste Morgen. Die Bordtoilette streikt – und zwar komplett. Nichts geht mehr. Die Schläuche, ohnehin in die Jahre gekommen, sind offensichtlich dicht. Ein Albtraum, der schnell zur Realität wird. Zum Glück gibt es in Mahón einen gut ausgestatteten Marinestore. Wir buchenalso drei Nächte im Hafen, um in Ruhe zu reparieren. Zwischen Abwasserleitungen, Klebeband, Ersatzteilen und jeder Menge Improvisation lösen wir das Problem – und sind einmal mehr stolz auf unsere Teamarbeit.

So glamourös, wie sich das Leben an Bord manchmal anhört, ist es eben nicht immer. Manchmal ist es einfach nur ... na sagen wir: herausfordernd.


Land in Sicht - Sardinien ruft


Mein Herz schlägt Purzelbäume vor Freude und ich kann mich nicht sattsehen an diesen Farben.
Mein Herz schlägt Purzelbäume vor Freude und ich kann mich nicht sattsehen an diesen Farben.

Drei Tage später geht es los: Kurs Sardinien! Für die 200 Seemeilen brauchen wir ungefähr 40 Stunden. Wenn wir also am nächsten Abend noch mit Tageslicht ankommen wollen, dann heißt es früh aufstehen. Einmal mehr erleben wir, dass Windvorhersagen nicht immer so präzise sind, wie erhofft. Mal Flaute, mal leichter Wind, viel Motor. Durch das Motoren sind wir wesentlich schneller unterwegs als unter Segeln und durchqueren die enge Passage von La Pelosa an der Nordspitze Sardiniens schon am Nachmittag des nächsten Tages. Von einem Moment auf den anderen ändert sich die Farbe des Wassers von einem satten dunkelblau in strahlendes Türkis und Aquamarin. Die Sonnenstrahlen tanzen auf dem sandigen Boden. Dieser Spot gehört auf jeden Fall in die Top Ten Liste unserer Lieblingsplätze Sardiniens.



Porto Pollo - Hawaii lässt grüßen


In Porto Pollo können wir unsere Freunde Alice und Nils in die Arme schließen und werden hier zwei Wochen gemeinsam verbringen. Porto Pollo ist DAS Wassersport-Mekka der Insel, über das Robby Naish, die Windsurf-Legende aus Hawaii, bei seinem ersten Besuch dort begeistert ausgerufen haben soll "This is the Maui of the Mediterranean!". Die Tage vergehen wie im Flug und auch wenn Nils und ich noch oft beim Wingfoilen um das richtige Take-off und den längeren Flug auf dem Foil kämpfen, genießen wir alle zusammen die Zeit hier sehr. An windfreien Tag erkunden wir die Insel und abends sitzen wir bei Wein und gutem Essen und spielen Karten. Es sind diese Momente mit Freunden, die diese Zeit so besondern machen.


Buchthopping mit Crew


Anfang Mai segeln wir nach Olbia - mein Schwester heuert für eine Woche auf der Seeschwalbe an. Da wir letztes Jahr bereits in dieser Ecke waren, kennen uns rund um Tavolara schon gut aus und freuen uns riesig, Kathrin eine Woche lang einen Einblick ins Bordleben geben zu können. Karibische Buchten, SUP-Touren über glasklares Wasser, Wanderungen und Gespräche mit Getränk und Sonnenuntergang. Hach, es ist sooo schön, dass man die Zeit am liebsten anhalten möchte. Mit einem Fingerschnipps sind die fünf Tage dann leider vorbei und mit einem lachenden und weinenden Auge müssen wir uns verabschieden. Kapitän und 1. Offizier haben aber bereits im Logbuch vermerkt "Kathrin darf wieder anheuern."



Der Süden ruft - neue Wege, alte Herausforderungen


Von nun an sind wir wieder allein unterwegs. Unser Ziel ist es, in den Süden Sardiniens bis Carloforte zu segeln. Dort wollen wir dann mit Blick auf die Zeit und das Wetter entscheiden, ob wir noch ein Stück Richtung Norden an der Westküste hinauf fahren oder direkt Menorca anpeilen. Bis Mitte Juni wollen wir wieder in Pollença sein, da Boris Ende Juni wieder einen Job als Windsurf- und Wingfoil-Trainer bei der Segelschule angenommen hat, bei der er auch letzten Sommer bereits Yachttraining gegeben hatte.


Cala Luna
Cala Luna

Die Ostküste Sardiniens stellt uns auf die Probe. Entweder herrscht Flaute oder kräftiger Ostwind. Es gibt zwar zunehmend mehr lange Sandstrände aber dafür kaum noch Buchten, die uns Schutz vor Wind und vor allem Welle bieten. Doch wir haben Glück. Für zwei Tage sind die Bedingungen perfekt für die traumhafte Cala Luna. Und zwischen 17:00 und 10:00 Uhr sind wir hier das einzige Boot. Die steil aufragenden Felsen leuchten nachts im Mondlicht und die riesigen Höhlen reißen ihre Schlunde weit auf, als würden sie Meerwasser trinken wollen. Eine magische Atmosphäre, die sich ab 10:00 Uhr in einen Touristenhotspot verwandelt. Fähren spucken hunderte Menschen an den Strand und der Rest kommt mit kleinen gemieteten Motorbooten, die uns wie Moskitos umkreisen. An Schwimmen, Schnorcheln oder SUPen ist nicht zu denken. Wir hängen an unserem Leben.

Wir lesen von dem schönsten Strand der Welt - angeblich besser als jeder in Thailand - der hier ganz in der Nähe sein soll. Das wollen wir uns anschauen. Die Realität ist enttäuschend. Vielleicht liegt es daran, dass der Schatten der hohen Berge bereits über der Bucht liegt oder an dem mörderischen Schwell, der das ganze Boot durcheinanderschaukelt. Hier halten wir es keine ganze Nacht aus! Nach einem kurzen Fotostopp entscheiden wir, die drei Stunden Richtung Arbatax zu fahren. Neben dem Hafenbecken soll eine große Bucht sein, in der wir einigermaßen geschützt liegen können. Die Fahrt dorthin ist anstrengend. Wir sind müde, es ist dunkel und es schaukelt wie beim Bullriding. Der Wind hat uns außerdem verlassen und wir müssen motoren. Das gesetzte Großsegel hilft nur noch, das Rollen des Bootes etwas zu dämpfen. Die Wellen kommen nicht nur aus Richtung Meer, sondern werden an den steilen Felswänden an der Küste reflektiert und laufen zurück zu uns. Eine wilde Fahrt!


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Arbatax kann man sich anschauen, muss man aber nicht. Große Teile des Ortes

wirken verlassen, unfertig und irgendwie lieblos. Überall finden sich verlassene Gebäude - „Lost Places“ - und wenig ansprechende Gewerbegebiete.

Laut unserer Recherche gibt es mehrere Gründe dafür. So sollte ein kleiner Flughafen den Tourismus ankurbeln – doch seit der Schließung 2011 liegt er brach. Auch die Eisenbahnlinie wurde stillgelegt; Gleise, Bahnhöfe und Gebäude verfallen.

Viele dieser Projekte waren einst durch EU-Fördermittel angeschoben worden, wurden aber nie zu Ende gebracht. In einigen Fällen wurden Fördergelder bewilligt, symbolisch der Bau begonnen – dann verschwanden Baufirmen, Genehmigungen fehlten oder Projekte wurden aus anderen Gründen eingestellt. Korruption, Planungschaos und Kostenexplosionen spielten offenbar ebenfalls eine Rolle. Zurück blieben keine Fortschritte – sondern Ruinen.


Er soll ja gleich drehen...


Am 10. Mai runden wir das Cap Carbonara und legen einen Stop vor Villasimius ein. Das Cap hat einen entscheidenen Vorteil: Je nach Windrichtung kann man einfach auf die geschützte Seite wechseln.

Am nächsten Tag können wir das gleich mal testen. Die Vorhersage der Windrichtung stimmt ganz und gar nicht und die Welle läuft ungebremst in die Bucht. Eine Achterbahnfahrt beginnt. Boot für Boot lichtet den Anker und verschwindet. Wir halten noch eine Weile durch, verkeilen uns im Boot, während alles, was nicht gut verstaut ist, durch die Gegend fliegt. Der Satz des Tages "Der Wind soll ja gleich drehen. Dann wird's besser." Er fällt öfter, als uns lieb ist. Aber: Der Wind dreht nicht. Schließlich geben wir auf, fahren ums Cap und werfen erneut den Anker. Auch hier schaukelt es etwas, aber nach diesem Nachmittag empfinden wir es fast als ruhig.


Wasser, Diesel und Proviant gehen dem Ende entgegen und da für die nächste Tage ungemütliches Wetter mit viel Südwind angesagt ist, entscheiden wir uns für ein paar Hafentage. In der Marina di Capitana in der Nähe von Cagliari bekommen wir einen schnuckeligen Platz. Der Preis ist aktzeptabel, die Facilities in Ordnung, Waschmaschinen vorhanden und der Supermarkt in Laufweite. Alles, was ein Seglerherz erfreut. Und als Kirsche auf der Sahne, gibt es direkt im Hafen noch eine Autovermietung. Und so sitzen wir am Folgetag im Auto Richtung Berge. Wir wollen schließlich nicht nur an der Küste entlangsegeln sondern auch was vom Hinterland entdecken und nach Cagliari fahren.


Mit künstlicher Intelligenz durchs Hinterland


Wir sind mutig - und fragen ChatGPT nach einer Routenempfehlung. Nach ein paar Rückfragen präsentiert uns die KI eine Strecke, die uns gefällt: kurvig durch die Berge, mit Aussichtspotenzial und viel Natur. Also lassen wir sie uns direkt auf Google Maps anzeigen und machen uns auf den Weg.

Die Straße schlängelt sich durch die sattgrünen Berghänge, dicht bewachsen und spektakulär. Wir verlassen die Hauptstraße und steuern ein - laut Empfehlung - "typisch sardisches Bergdorf" an (O-Ton ChatGPT). Unsere Erwartungen: verwinkelte Gassen, alte Natursteinhäuser, ein Hauch von Postkartenidylle. Die Realität: viel Beton, wenig Charme. Also weiter.


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Die Strecke wird langschaftlich immer beeindruckender. Wir fahren vorbei an blühenden Wiesen, Eseln und wilden Ziegen, Panorama satt. Der Weg indess wird immer abenteuerlicher und unser kleiner Fiat 500 mit mäßiger Bodenfreiheit kämpft sich wacker über die Holperstraße. Aus der Straße wird eine Piste, dann ein Pfad. Und dann ist Schluss. Vielleicht wäre hier mit einem Quad oder zu Fuß noch etwas zu machen, aber für uns: Game over. Wenden? Unmöglich! Glücklicherweise sind wir vor kurzem an an einer Gabelung vorbeigekommen. Also rückwärts durch die Schlaglöcher, wenden ohne aufzusetzen und die Strecke wieder retour. Der Weg führte uns also nicht ans Ziel, aber zu einem unvergesslichen Ausflug in die Sardischen Berge.

Abends gönnen wir uns das Kontrastprogramm in Cagliari, bummeln durch die belebten Einkaufsstraßen, besichtigen historische Mauern und lassen den Tag bei einem ordentlichen Humpen Aperol Sprizz mit kleinen sardischen Häppchen schmecken. Da kann man nicht meckern.


Kleine Segler-Welt


Die Vorhersagen für die nächsten zwei Tage sehen gut aus - also werfen wir die Leinen los in Marina di Capitana. Wir segeln westwärts zur Isola Tuaredda, einer wunderschönen Ankerbucht, die durch die vorgelagerte Insel hervorragend vor dem Starkwind und dem Schwell schützt. Der sandige Grund bietet besten Halt – perfekt, um ein paar windige Tage sicher und entspannt auszusitzen.

Die Seeschwalbe vor Porto Pino
Die Seeschwalbe vor Porto Pino

Am nächsten Nachmittag bekommen wir weitere Nachbarn. Und während wir so das Treiben beobachten, kommt ein neues Boot in die Bucht. "So eins hat doch auch der Oliver", meint Boris - ein Schweizer Segler, den wir seit 2023 kennen, aber lange nicht mehr getroffen haben. Und tatsächlich: Es IST Oliver! Die Wiedersehensfreude ist riesig, und kurze Zeit später fallen wir uns in die Arme, sitzen bei ihm an Bord, plaudern, lachen, tauschen Geschichten aus - bis die Sonne im Meer versinkt. Die Seglerwelt ist eben kleiner, als man denkt. Irgendwann kreuzen sich die Kurse immer wieder. Und das ist wunderbar!


Oliver empfiehlt uns, unbedingt Porto Pino anzusteuern - ein großer Sandstrand mit riesiger Düne am Ende, ein charmantes kleines Örtchen und eine postkartentaugliche Einfahrt durch einen schmalen Kanal. Im örtlichen Krämerladen bekommen wir dann auch gleich den nächsten Tipp: das Thunfischfest „Girotonno“ in Carloforte, Ende Mai. Das klingt nach einem Plan – und wir setzen ihn um.

Malerische Hafeneinfahrt von Porto Pino
Malerische Hafeneinfahrt von Porto Pino

Letzte Etappe vor dem Sprung zurück nach Menorca


In den Straßen von Carloforte
In den Straßen von Carloforte

Wir haben entschieden, von Carloforte direkt nach Menorca zu starten, sobald sich ein Wetterfenster abzeichnet. Ein paar Hafentage zum Proviantieren, Duschen und Wasser bunkern kommen da genau richtig. Nach den letzten Wochen, in denen wir fast ausschließlich autark unterwegs waren, genießen wir das quirlige Städtchen mit seinen bunten kleinen Häusern, das geschäftige Treiben rund um das Fest, die Musik und Verkaufsstände, das italienische Stimmengewirr.

Ein wunderbarer Abschluss für zehn intensive, bewegte Wochen.







P.S.: Obwohl wir gern noch weitergesegelt wären, wissen wir aus dem letzten Jahr: Der Sommer ist nicht die beste Zeit zum Reisen. Es ist zu heiß, zu voll, zu laut. Die in der Vorsaison chilligen und einsamen Buchten sind im Juli und August so überfüllt mit Tagesausflüglern und Charterbooten, dass wir uns aus voller Überzeugung wieder für eine Segelpause in Pollenca entschieden haben - mit Jobs an Land und auf dem Wasser und neuer Energie für die darauffolgenden Monate.

 
 
 

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