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Eine neue Liebe?

Bereits seit längerer Zeit steht für uns Tauchen weit oben auf unserer „Bucket list“, um auch die Welt unterhalb der Wasserlinie zu erobern. Auf Sardinien sind nun die Bedingungen perfekt - klares Wasser mit annehmbarer Temperatur und Wind und Wetter geben uns die Chance, ein paar Tage an einem Ankerspot zu bleiben. Bei einer der ortsansässigen Tauchschulen haben wir ein gutes Gefühl. Also auf ins Abenteuer Tauchen.


Gestern haben wir die beiden Tauchschulen hier im Herzen des Naturparks von Tavolara besucht und letztlich bei Aquarius Diving einen Schnupperkurs für heute Vormittag vereinbart. Für uns beide ist klar, dass wir erstmal herausfinden wollen, ob wir uns mit dem Kopf unter Wasser überhaupt wohlfühlen und einen Tauchkurs hinten anhängen möchten. Mit Vorfreude und etwas Herzklopfen betreten wir also jetzt das Gelände der Tauchschule. Jetzt in der Vorsaison ist es überall noch relativ ruhig und sehr entspannt, was uns wirklich gut gefällt. Eine kleine drahtige Italienerin kommt freudestrahlend und voll Tatendrang auf uns zu. Es ist Laura, unser Dive-Guide für den Tag, und mit ihrer Begeisterung für’s Tauchen, nimmt sie uns die erste Aufregung. Nachdem noch zwei Schweizerinnen zu unserer kleinen Gruppe dazu stoßen, gibt es das sogenannte Briefing. Laura erklärt, was uns heute erwartet, das komplette Equipment und wie man es für den Tauchgang vorbereitet. Eine Sicherheitseinweisung bekommen wir natürlich auch noch, bevor wir alles auf den Pick-up laden und uns in die Neoprenanzüge pellen.


Zum Glück bin ich mit dem Drumherum so beschäftigt, dass ich gar keine Zeit habe, so richtig nervös zu werden.

Die erste Hälfte des Schnupperkurses findet in flachem Wasser am Strand statt. Ohne viel Umwege schleppen wir uns mit der schweren Ausrüstung inkl. der Bleigürtel ins Wasser, wo das Gewicht sofort nachlässt und alles viel leichter wird. Laura zeigt uns wie man mit dem Atemregler atmet und dann heißt es auch schon für uns „Abtauchen“. Erste Regel beim Flaschentauchen: Niemals die Luft anhalten und immer weiteratmen. Das sagt sich so einfach. Irgendwie ist es ja ein Schutzmechanismus, den man hier austricksen muss. Also kommuniziere ich aktiv mit meinem Hirn und gebe auf kurzem Weg den Befehl zum Weiteratmen. Funktioniert. Und wie schafft man es nun, sich mit den langen Flossen hinzuknien ohne komplett das Gleichgewicht zu verlieren? Vom Gefühl der Schwerelosigkeit unter Wasser sind wir noch weit entfernt, aber für die ersten Versuche klappt es gar nicht so schlecht. Übung macht auch hier den Meister. Wie immer! Um uns herum und zwischen uns hindurch schwimmen währenddessen neugierige Bandbrassen. Was denen wohl bei unserem Anblick so durch den Kopf gehen mag?



Wir begeben uns in etwas tieferes Wasser. Hier kann man nicht mehr stehen. Es folgen Übungen, wie wir das Mundstück aus dem Mund nehmen, wieder einsetzen und weiteratmen. Wie wir unter Wasser komunizieren. Wie wir uns unter Wasser fortbewegen und die Balance finden, um zu schweben. Mit soviel (mentalen) Aufgaben habe ich gar nicht gerechnet. Ich neige ja dazu, Dinge im Vorfeld zu durch- und zerdenken. Immer mit der Frage nach möglichen Konsequenzen. An dieser Stelle kann ich soviel verraten: Das ist beim Tauchen kontraproduktiv ;-) Ich lenke mich damit ab, die Fische um uns herum zu beobachten und Laura hinterher zu „flosseln“. Und zu atmen. Nachdem wir also die ersten Schritte im Flachwasser erfolgreich absolviert haben und nun die Basics kennen, soll es jetzt mit dem Motorboot rausgehen für eine erste Schnuppererfahrung im offenen Wasser. Ehe wir uns versehen, sitzen wir auf dem federnden Rand eines großen Schlauchbootes, sehen aus wie richtige Taucher und mein Herz schlägt wie verrückt. Sowohl aus Vorfreude als auch vor Aufregung. Was mache ich hier eigentlich?! Aber manchmal muss man einfach auch mal raus aus der Komfortzone und das Adrenalin im Körper spüren. Und hier und jetzt ist der perfekte Zeitpunkt. Den Gedanken an 12 Meter Wasser über mir, verdränge ich gekonnt. Augenblicke später lassen wir uns mitsamt unserer Ausrüstung rücklings über den Rand des Bootes kippen. Überall um mich herum sprudelt das Wasser und Sekunden später schwimme ich wie ein Korken neben dem Boot. Check! Es hilft ungemein, wenn man gute Sicht hat und von der Wasseroberfläche den Grund sehen kann. Und das immerhin bei 12 Meter Wassertiefe! Wir Greenhorns lauschen schaukelnd in den Wellen Laura für ein paar letzte Instruktionen und dann ist der Moment gekommen, in dem wir uns senkrecht an der Kette der Mooringboje Zentimeter für Zentimeter nach unten hangeln.

Nach ein paar Metern spüre ich den Druck auf den Ohren. Jetzt ist Zeit für den Druckausgleich (wie man ihn zum Beispiel auch im Flugzeug macht). Ich halte mir die Nase zu, es knackt in den Ohren. Ich kann weiter absteigen. Bei einer Tiefe von 5 Metern habe ich dann die ersten Schwierigkeiten. Der Druckausgleich im rechten Ohr funktioniert nicht und spüre ein unangenehmes Stechen. Jetzt bloß die Ruhe bewahren und weiteratmen. Soweit so gut. Meine Atmung wird schneller und ich beginne mit mir selbst zu reden. Also wieder ein paar Zentimeter aufsteigen und es erneut versuchen. Ich brauche etliche Anläufe und im Kopf habe ich die Gedanken „Mist, wenn das hier nicht klappt, muss ich wieder hoch…“ und „Boah, jetzt müssen die anderen alle auf mich warten“. Totaler Quatsch wie mir hinterher gesagt wird. "Take your time!" Laura ist dicht bei mir und führt mich professionell hier durch. Mit Zeichensprache gibt sie mir den Atemrhythmus vor und ich schaffe es bis auf die geplante Tiefe zu kommen und mich tatsächlich zu entspannen.

Was wir hier zu sehen zu bekommen, kannten wir bisher nur aus dem Zoo-Aquarium. Jetzt sind wir mittendrin im Getümmel aus großen und kleinen Meeresbewohnern. Ein riesiger Zackenbarsch - mindestens 1 m lang - kreuzt unseren Weg und kleine neonfarbene Fische beäugen neugierig unsere Gruppe. Es ist unfassbar wie viele Fische um uns herum im Sonnenlicht tanzen. Die Strahlen zeichnen faszinierende Muster auf die Unterwasserfelsen und erhellen das gesamte Szenario. Meine Balance ist ausbaufähig, aber hey das ist unser allererster Tauchgang! Die Zeit verfliegt rasant und dann ist unsere erste Open Water Experience auch schon vorbei. Wow!

Das Adrenalin dieses ersten Erlebnisses lässt uns auch später noch strahlen als wir mit Andrea, dem Besitzer der Tauchschule, und Laura vor der Schule entspannen und quatschen. Nach einer heißen Dusche sitzen wir hier nun vor einem großen Teller dampfender Pasta und könnten nicht glücklicher sein.

Für uns beide steht nach dieser Erfahrung fest, dass wir in den nächsten Tagen unsere OpenWater Lizenz machen wollen.

Am nächsten Morgen folgen wir zunächst hochkonzentriert Lauras Ausführungen, die uns jede einzelne Aufgabe erklärt, welche wir im Anschluss in flachem Wasser absolvieren werden. Und natürlich füttert sie uns auch mit jeder Menge Tauchtheorie. Gefüllt bis zum Anschlag mit Informationen tauchen wir also wenig später wieder unter. Es fühlt sich schon viel komfortabler an als am ersten Tag wohlgleich ich wieder dieses Kribbeln verspüre, alle Übungen korrekt absolvieren zu wollen. Ich kann halt nicht aus meiner Haut. Also konzentriere ich mich darauf, unter Wasser wahlweise das Tauchjacket (BCD) oder den Bleigürtel aus- und anzuziehen. Das Mundstück mit meinem Buddy Boris zu tauschen, Wasser aus der Brille zu blasen, Balance zu finden und vieles, vieles mehr.



Die herausforderndste aller Aufgaben sollte mir noch bevorstehen: Taucherbrille absetzen, nicht durch die Nase sondern durchs Mundstück atmen, die Augen dabei offen halten, die Taucherbrille wieder aufsetzen, das Wasser mit der Nase aus der Brille ausblasen und währenddessen ohne zu ertrinken ruhig durch den Mund weiteratmen. Natürlich kann auch ich ganz normal mit Luftanhalten unter Wasser eine gewisse Strecke schwimmen. Dabei habe ich auch nicht das Gefühl durch die Nase atmen zu müssen, aber sobald ich den Mund geöffnet habe und durch dieses Mundstück atmen soll, will meine Nase auch mitmachen. Ich nenn das mal einen Reflex, den man scheinbar nur mit Ruhe und Übung „wegtrainieren“ kann. Boris absolviert es mit Bravour gleich beim ersten Mal. Respekt. Generell kommt ihm seine Ruhe und Gelassenheit bei der ganzen Sache sehr zugute. Ich bin tief beeindruckt. Also so schwer kann es ja nicht sein. Ich kniee also unter Wasser, atme ruhig über den Atemregler, nehme meine Brille ab und binnen Millisekunden atme ich über die Nase ein. Das Salzwasser läuft brennden durch meine Nase den Rachen hinunter. Hustend und prustend tauche ich auf. Nasenspülungen mit Salzwasser sollen ja sehr gesund sein. Hab ich mal gehört. Mein Herz pocht wie wild, der Hals brennt und ich schmecke überall diese fiese Salzigkeit. Es hilft nix, nächster Versuch. Unter Wasser erstmal wieder ruhig atmen, Brille ab, Augen auf (man sieht übrigens ohne Taucherbrille nur sehr verschwommen), einmal Atmen, eine Sekunde und dann will meine Nase wieder mitmachen. Es funktioniert einfach nicht. F*** - das gibts doch nicht. Wir machen erstmal mit anderen Übungen weiter. Doch ich weiß, dass wir das morgen auch im tiefen Wasser machen müssen. Am Ende der Session will ich es unbedingt nochmal versuchen. Das muss doch gehen! Wir hocken uns also wieder hin und beim zweiten Versuch schaffe ich es. Ich bin dabei nicht gerade entspannt, aber ich habe es geschafft, die Brille wieder aufzusetzen, auszublasen und dabei nicht zu ertrinken. ;-) Mit diesem guten Gefühl kann ich in den „Feierabend“ gehen. Heiße Pasta und leckere Tiramisu warten in der Schule bereits auf uns.

Zurück auf der Seeschwalbe, ruhen wir uns aus. Boris fällt dabei schnell in einen tiefen Schlaf, aber ich komme nicht zur Ruhe. Meine Gedanken kreisen um diese Challenge und um den nächsten Tag. Ich versuche es sogar mit einer Art Meditation, um runter zu kommen. Kann ja grundsätzlich auch nicht schaden. Am Abend fahren Boris und ich sogar nochmal an den Strand und ich übe mit Schnorchel die Unterwasseratmung ohne Nase. Als die Sonne hinter den Berge verschwindet, wird uns kalt und wir brechen ab. Es wird schon klappen. Denn trotz dieser „Kopfsache“ freu ich mich auf den nächsten Tauchgang.


Als ich also am nächsten Vormittag wieder rücklings vom Boot ins Wasser kippe, halten sich Vorfreude und Aufregung die Waage. So krass! Neben mir die Steilwand des riesigen Tavolara-Berges und unter mir dunkelblaues, klares Wasser. Es ist verrückt: schon heute - bei unserem zweiten und dritten Tauchgang - habe ich das Gefühl, mich wesentlich komfortabler zu bewegen. Der Druckausgleich und das Finden der Balance funktionieren gut. Ich genieße diese Stille und den Frieden hier unten. Nur die Luftblasen des Atemreglers blubbern um mich herum. Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig. Sobald etwas Wasser in die Brille kommt, kann ich es ausblasen. Tatsächlich habe wir diese Dinge ganz schnell verinnerlicht. Um uns herum unzählige Fische, Muscheln, Seeigel und so vieles, was wir nicht mit Namen kennen. Die Sicht ist hervorragend. Sobald auch nur ansatzweise sich ein Gedanke an die 12 Meter Wasser über mir in meinen Kopf schleichen will, kick ich ihn wieder raus. So what, enjoy the moment!

Und dann ist es soweit - nach einer kurzen Pause an der Wasseroberfläche tauchen wir nochmal ab, um in fünf Metern Tiefe unsere ganzen Aufgaben zu absolvieren, die für die Lizenz nötig sind. Es läuft wie am Schnürchen. In aller Ruhe wird Aktion für Aktion abgehakt. Dann ist Boris mit der „Brillen-Nummer“ an der Reihe und schafft es mit völliger Ruhe wie aus dem Bilderbuch. Bin wieder beeindruckt. Jetzt führt kein Weg mehr dran vorbei. Jetzt bin ich dran. Als ich die Brille abnehme, schaffe ich es nicht, die Nasenatmung zu überlisten, ich werde hektisch und tauche auf. Nach einem kurzen Durchschnaufen geht's wieder runter. Niemals aufgeben. Ich will das unbedingt schaffen. Also wieder abtauchen. Ich atme fünfmal tief durch. Beim nächsten Ausatmen nehme ich die Brille ab, lass ein paar Blasen durch die Nase rausblubbern, atme durch den Mund weiter. Wo ist eigentlich die Brille? Ach ja, in meiner Hand. Also Brille wieder über die Rübe gezottelt. Ausblasen. Geschafft. Mehr schlecht als recht, aber ich habe es tatsächlich geschafft! Laura und ich fallen uns unter Wasser in die Arme. Ich könnte heulen vor Glück, aber das verschieb ich mal lieber auf später. Erschöpft - sowohl körperlich als auch geistig - klettern wir wieder an Bord.

Noch nie haben heißer Tee und Kekse so gut geschmeckt wie jetzt!!

Nachdem in der Schule alles mit Frischwasser gespült und weggeräumt ist, sitzen wir nun mit der Crew an der Tauchschule wieder zusammen, quatschen, lachen und essen sehr lecker. Wir fühlen uns beschwingt und ready für eine letzte Theorieeinheit und den schriftlichen Abschlusstest, den wir beide problemlos meistern. Nun können wir uns auf den Tauchgang am nächsten Tag einfach nur noch freuen. Es wird auf 18 Meter Tiefe gehen und wir können ohne irgendwelche Übungen einfach nur tauchen. Und das genießen wir am nächsten Tag mit jedem Atemzug und schweben schwerelos durch diese faszinierende Unterwasserwelt. Papageienfische beäugen uns neugierig, Zackenbarsche gleiten in Distanz an uns vorbei. Riesige Schwärme kleinerer Fische umgeben uns. Eine große Muräne schaut zur Verteidigung bereit aus ihrem Versteck. Und unsere neonfarbenen Lieblingsfische sind auch wieder da. Ehe wir uns versehen, sind vierzig Minuten um und es ist Zeit zum Auftauchen. Leider. Auf unseren Tauchcomputern können wir ablesen, dass wir heute sogar die 20m-Marke geknackt haben.


Wenig später halten wir unsere Urkunden in den Händen. Jetzt ist es an uns, dran zu bleiben und weiter tauchen zu gehen. Mit mehr Praxis auch mehr Gelassenheit zu entwickeln und die Welt unter Wasser als unsere Komfortzone Stück für Stück zu erobern. Dieser Tauchkurs war so viel mehr als nur das Erreichen einer Lizenz. Boris und ich haben uns abends noch lang über die Herausforderungen unterhalten. Auch wenn er mehr Ruhe mitbringt als ich und das auch ausstrahlt, musste auch er seine Komfortzone verlassen. Diese Tage waren lehrreich für uns. Wir haben uns den Herausforderungen gestellt, sind als Buddys gemeinsam da durch gegangen und haben nun die Chance auf eine neue Liebe bekommen. Die Liebe zu einer faszinierenden Welt unter Wasser.


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Invité
07 juin

Gratulation Claudi zum OWD :-)

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Ich kann zwar nicht sehen, wer es geschrieben hat, aber vielen Dank! Bin sehr stolz ;-) Claudi

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